Seit 2004 wurde unter Rot-Grün zum Zwecke des Sparens erst zum Monatsende gezahlt, Sozialleistungen, aber auch Löhne zum Monatsanfang. Womit bei Rentenbeginn eine Deckungslücke entsteht. Aber nur bei Personen, die eine Rente erwirtschaftet haben, die zwar, was oft dem prekären Arbeitsmarkt geschuldet ist, niedrig ist. Sie sollen ein Darlehen nutzen, hingegen Personen ohne Rente die volle Grundsicherung bekommen. Ein einmaliger nicht rückzahlbarer Zuschuss würde das Problem lösen.
Wird die Rente aus dem SGB II Bezug heraus beantragt, etwas weil es gerade keine Arbeit mehr wegen Altersdiskriminierung gab oder weil wegen Krankheit Erwerbsunfähigkeit bestand und/oder muss wegen niedriger Rente aufstockend Sozialleistungen (Sozialhilfe oder Grundsicherung) bezogen werden und/oder die Rente fällt niedrig aus, hat man auch kein Vermögen- ist die Deckungslücke allerdings gravierend. Es steht sozusagen ein existenzfreier Monat ins Haus.
Ansonsten wird immer sehr genau auf „besser und schlechter stellen“ geachtet (bspw. das Sozialgericht Hamburg — S 41 AS 3277/19 — wies eine Klage mit der Begründung ab, dass kein Anspruch für die Übernahme der Kosten zur Anschaffung der Brille bestehe und die Kosten auch keinen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II darstellen. Vielmehr sei die Art der Anschaffung aus der Regelleistung anzusparen, da der Leistungsbezieher im Vergleich zu anderen gesetzlich Versicherten sonst besser gestellt werden würde, wenn man ihm den Kauf der Brille finanzieren würde (https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/212300). Wobei üblicherweise jemand in Arbeit auch mehr verdient und eine Brille finanzieren kann. Grundsätzlich ist es ja nicht Schuld der Betroffenen, dass das Existenzminimum, so niedrig sein soll, das notwendige Gesundheitssorge ausgeschlossen ist.
ALG II auf Zuschussbasis beim Jobcenter?
Vorliegend wurde beim Jobcenter versucht die Zahlung des ALG II auf Zuschussbasis zu erreichen, aber auch beim Sozialamt wurde versucht, nach § 44 SGB II ein Zuschuss zu beantragen. Ein Zuschuss kommt in Frage, wenn eine Rückzahlung unbillig wäre. Dies war der Fall weil eine seltene systemische Krankheit mit hohen Kosten vorliegt und danach wegen niedriger Rente Sozialhilfe bezogen werden muss.
In SG Berlin, 05.12.16, Az.. S 149 AS 119/16 ER heißt es, die Bewilligung von Rente schließt noch nicht den Erhalt von Arbeitslosengeld II aus, die Bewilligung einer Rente allein lässt die Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II unberührt. Der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II gelangt lediglich bei einem tatsächlichen Bezug einer Rente zur Anwendung. Diese Sozialversicherungsleistung hat konkret zu Auszahlung zu gelangen. Es bedarf hier eines entsprechenden Nettokapitalzufluss.
LSG München, 16.07.19, Az. L 11 AS 317/19 erklärt, wobei es nicht über die vorliegende Sachlage zu entscheiden hatte, dass auch bei einem Darlehen nach § 38 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), eine Rückzahlung nach Lage des Einzelfalles unbillig sein und die Prüfung eines Erlasses in Betracht käme (§ 44 SGB II).
„Der Erlass ist aus persönlichen und sachlichen Gründen möglich (allg. Meinung vgl. Kemper, in: Eicher/Luik, SGB II, § 44 Rz. 9). § 44 eröffnet zum einen die Möglichkeit, bei den Rücknahmefolgen den besonderen persönlichen Umständen Rechnung zu tragen (BSG, Urteil v. 25.4.2018, B 14 AS 15/17 R).“ Ferner „kann eine Billigkeitsmaßnahme auch dann angezeigt sein, wenn die Anwendung einer in ihrer generalisierenden Wirkung verfassungsgemäßen Regelung im Einzelfall zu Grundrechtsverstößen führen würde und solange nicht die Geltung des Gesetzes unterlaufen wird (BSG, Urteil v. 25.4.2018, B 14 AS 15/17 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 29.6.2017, L 7 AS 395/16; Merten, in: BeckOK, SGB II, § 44 Rz. 7).“ (aus: Haufe TVöD Office Professional, Sauer SGB II § 44 Veränderung von Anprüchen, Dr. Dr. Michael Kossens, Rz 5). „Eine wirtschaftliche Notlage ist also der Leistungsgewährung immanent. Insofern müssen noch andere, von Hilfebedürftigen nicht zu vertretende Umstände gegeben sein, um die Unbilligkeit zu bejahen. Dies können insbesondere Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder externe Gründe sein.“ (aus: Haufe TVöD Office Professional, Sauer SGB II § 44 Veränderung von Ansprüchen, Dr. Dr. Michael Kossens, Rz 6).
Dies muss insofern auch für das SGB XII gelten, also dass dieser Personenkreis keine Möglichkeit hat, ein Darlehen durch Einkommen aus Arbeit später irgendwann zu kompensieren.
Das Sozialamt gab schliesslich ein Darlehen, von diesem Darlehen müssen mtl. 22,30 € über 10 Monate lang zurückgezahlt werden. Damit hat dieser Personenkreis weniger als solche, die sofort die volle Grundsicherung bekommen, weil sie gar keine Rente haben. Wie ist das im Sinne einer an Gerechtigkeit orientierten Gesellschaft zu begründen? Bei chronisch Kranken besteht ohnehin kein Raum für seine solche Rückzahlung.
Von diesem Darlehen muss nach § 37a Abs. 2 SGB XII ein Betrag von 50% der Regelbedarfsstufe l nach der Anlage zu § 28 SGB XII zurückgezahlt werden. Das Darlehen ist nach § 37a Absatz 2 SGB XII monatlich in Höhe von 5% der Regelbedarfsstufe l zu tilgen. Vorliegend konnte erst nach einem Eilantrag die Rückzahlung des Darlehens gestoppt werden, obwohl das Sozialamt Pankow nach Widerspruch dieses bis zur (gerichtlichen) Klärung hätte stoppen müssen.
Es wurde geltend gemacht, dass durch eine seltene, genetische, systemische (multimorbide) und komplexe Erkrankung erhebliche Mehrbedarfe vorliegen, die allesamt erst erklagt werden müssen. Es kann nicht sein, dass Personen die wegen chronischer Erkrankung im Existenzminimum unterdeckt und in bei Krankenversicherungsleistungen unterversorgt sind, diese nämlich auch noch von ihrem Regelsatz zahlen, hier noch ein Darlehen schultern müssen. Durch die ständige Unterdeckung des Existenzminimum liegt eine massive Grundrechteverletzung, ein Verstoss gegen das grundgesetzliche Diskriminierungsverbot und ein Verstoss gegen die UN-Behindertenkonvention vor. Damit und wegen unbilliger Härte aufgrund des atypischen Sachverhalts vor. Denn ausweislich BVerfG vom 09.02.10 – 1 BvL 1/09 u. A. muss das menschenwürdige Existenzminimum individuell berechnet werden.
Zwar behaupten einige, Sanktionen von 30% seien ok (BVerfG Urt. vom 05.11.19 – 1 BvL 7/16) – jedoch kann die Tatsache, dass eine Rente erwirtschaftet wurde, schlecht dem zu sanktionierenden Fehlverhalten gleichgestellt werden. Auch ist die Frage aufzuwerfen, wie es von einem Existenzminimum noch Abzüge geben kann.
Ausweislich § 51 Abs 1 AGB I kann eine Darlehensrückzahlung erst ab Pfändungsfreibetrag stattfinden- verfassungswidrig wird das im SGB II anders behandelt, womit klar zu ersehen ist, dass es im SGB II; SGB XII eine Sonderrechtszone vorliegt.
Zudem ist der Regelsatz ja ohnehin zumindest grenzwertig unterdeckt- selbst das konservative BVerfG, Entscheidung vom 23.7.2014, 1 BvL 10/10, 1 BvL 12/12, l BvR 1691/13, Rn. 116, 120,stellt fest, dass es eine Untereckung bei Haushaltsgeräten, Strom, Sehhilfen, Mobilität geben kann.
Die Politik gibt ja selbst zu, dass man vom Regelsatz nicht dauerhaft leben kann (Heinrich Alt, „Regelsatz ist keine Dauerlösung“, in: https://www.n-tv.de/politik/Hartz-IV-Erhoehung-erst-im-Maerz-article2241496.html, 2010). 2018 rügte der UN-Sozialausschuss die BRD und forderte u.A. eine höhere Grundsicherung, die Hartz IV Sätze seien zu niedrig. D.h. diese sind für systemisch Erkrankte, Multimorbide etc. erst Recht nicht hinreichend (UN-Sozialausschuss fordert höhere Grundsicherung in Deutschland 03.11.2018, Sonntagsblatt, https://www.sonntagsblatt.de/artikel/menschen/un-sozialausschuss-fordert-hoehere-grundsicherung-deutschland). Die schlechte Versorgung und wirtschaftliche Vulnerabilität dieser Personengruppen beschreibt auch der Deutsche Ethikrat (https://www.ethikrat.org/fileadmin/PDF-Dateien/Pressemitteilungen/pressemitteilung-06-2018.pdf).
Der Politik ist das Problem übrigens auch bekannt.
Und hat dazu geführt, dass eine Übergangsregelung mit einem einmaligen, also nicht rückzahlbaren Zuschuss speziell im Bereich der Eingliederungshilfe geschaffen wurde (SGB XII § 140 Übergangsregelung zur Verhinderung einer Zahlungslücke, https://www.haufe.de/oeffentlicher-dienst/tvoed-office-professional/jung-sgb-xii-140-uebergangsregelung-zur-verhinderung-einer-zahlungsluecke_idesk_PI13994_HI11341745.html). Ergo kann dies auch generell behoben werden.
Personen im Grundsicherungsbezug, die keine Rente erarbeitet haben, bekommen hingegen den vollen Betrag. Mithin herrscht also keine Rechtsgleichheit, sondern Willkür.
Ein Darlehens verfassungsrechtlich unzulässig, weil mit der Aufrechnung das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum unterschritten wird. Wenn der Gesetzgeber sich grundsätzlich für ein gewisses Existenzminimum entscheidet, dass bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) und der Grundsicherung im Alter (SGB XII) im laufenden Bezug durchgehend gehalten wird, ist nicht einzusehen, dass dieses zwischenzeitlich unterschritten werden soll, nur weil der Gesetzgeber Probleme mit der Konzertierung der Sozialleistungen hat. Anders als bei einer „Sanktion“ o.Ä. kann den Leistungsempfängern in keiner Weise ein Vorwurf gemacht werden, der es verfassungsrechtlich rechtfertigen würde, das Existenzminimum zu unterschreiten und sei es auch nur ein geringer monatlicher Betrag.
Art. 3 GG, der Gleichheitssatz wird verletzt. Außerdem wird ausdrücklich durch Art. 1 Abs. 2 GG betont, dass niemand wegen seiner Behinderung diskriminiert werden darf. „ Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln (BVerfG 4, 144, 155, st. Rspr.). Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, wenn die Bestimmung also als willkürlich bezeichnet werden muss“ (BVerfGE 1, 14,52, st. Rspr.). Dies ist nur dann der Fall, wenn der Gesetzgeber versäumt hat, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigten, sie so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BVerfG 9, 201, 206; 38, 187, 197 f.).
Nichts anderes ergibt sich aus (Beschl. 1. Senat v. 7.10.80, BVerfGE 55, 72 ff.):
„Art. 3 Abs, 1 GG gebietet es, alle Menschen gleich zu behandeln, so dass er vor allen Dingen dann verletzt ist, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normanadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“ (zB auch BVerfGE 88, 5, 13). Bisweilen wird angefügt, Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssten in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfGE 82, 126, 146).
Das Willkürverbot ist verletzt, wenn der Gesetzgeber kein legitimes Ziel verfolgt oder die Differenzierung zur Verwirklichung eines solchen Ziels nicht geeignet ist (Martini, Art. 3 Abs 1 GG als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit, 1997, S. 26). Auch die normative Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatz wird verletzt- alle Menschen sind durch die Gesetzgebung gleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz hat den Sinn und Zweck gegen jede Art von Ungleichheit zu schützen und umfasst nicht nur die persönliche sondern auch die sachliche Rechtsgleichheit ((Martini, Art. 3 Abs 1 GG als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit, 1997, S. 141).
Die Ungleichbehandlung ist auch erheblich, da sie die Existenzsicherung betrifft. Verletzt ist damit auch Art. 20 Abs. 1 GG, das Sozialstaatsprinzip- zum sozialen Saat gehört die Garantie des soziokulturellen Existenzminimums.
Art. 1 GG, das Recht auf Menschenwürde ist verletzt, da quasi sanktioniert wird, ohne dass ein Fehlverhalten vorliegt. Mit dieser ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet den Menschen zum blossen Objekt des Staates zu machen oder einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität in Frage stellt (BVerfGE 87, 209 (228)). Das Recht auf Menschenwürde ist verletzt wenn: der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem blossen Mittel, zu einer vertretbaren Größe herabgewürdigt wird (Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, Günter Dürig, AöR 81, 117-157, 1956).
Woher der Unwillen des Gesetzgebers etwas verfassungskonform zu regeln und zwar immer zu Lasten des schwächeren Parts? Wieso muss es immer eine Gruppe Exkludierter geben- im Sinne des „Divide et impera“, weil man dann weiß, insbesondere wenn es vulnerable Gruppen sind, die sich kaum wehren können und auch in den Medien keine Beachtung finden. Eine Studie stellte fest, dass die Politik eine negative Haltung gegenüber den Belangen Armer hat (Armin Schäfer u. A., „Dem Deutschen Volke? Die ungleiche Responsivität des Bundestages, 2017, (https://www.armin-schaefer.de/wp-content/uploads/2014/05/Els%C3%A4sser-Hense-Sch%C3%A4fer-17-1.pdf).
Es ist ein Problem, wenn die verfassungsmässig garantierten Rechte für die Bürgerin überhaupt nicht mehr erreichbar sind.
Diese wurden von der Legislative aufgegeben. Auch die Judikative zeichnet sich nicht durch ein starkes Interesse diese zurückzugeben: Die Bürgerin ist eine Altlast, ein Entsorgungsprojekt geworden. Dabei wäre die Lösung auch im Bürgergeld ganz einfach, alle die weniger als 40.000 € Vermögen haben, können für den Monat zwischen der Rente einen solchen Zuschuss beantragen, egal ob sie nachher von der Rente leben oder Sozialhilfe oder Grundsicherung beantragen. Personen bis zu 60.000€ Vermögen können immerhin sehen, ob Wohngeld beantragt werden kann.