Obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits am 23.07.2014 (Az. 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13) entschieden hatte, dass Sehhilfen und auch weisse Ware nicht hinreichend im Existenzminimum eingestellt sind und der Politik aufgegeben hatte, dass ein Zuschuss einzustellen ist, wird auch nach der Einstellung dieses Zuschusses im Januar 2021 mit der Änderung des § 21 VI SGB II, dieser nur gering Fehlsichtigen im Existenzsicherungsrecht gewährt und Hochfehlsichtigen verweigert. Es war den „Reform“macherInnen, der Legislative anscheinend nicht möglich diese diskriminierungsfrei zu gestalten.
Leider ist wieder einmal die Praxis dazwischen gekommen. Denn Hochfehlsichtige werden auf das Krankenversicherungsrecht verwiesen, weil das Existenzsicherungsrecht nachrangig ist. In diesem werden aber nur Festbeträge, die nur einen Teil der Kosten decken und die Kosten für ein Brillengestell explizit ausschliessen, übernommen. Damit hat man die Basis geschaffen, dass Behörden und Sozialgerichte, die nicht durch das SGB V und den Regelsatz gedeckten Kosten, deren Übernahme das das vorgenannte Urteil des BVerfG vorsieht, ablehnen. Im Existenzsicherungsleistungsbezug bekommen daher nur gering Fehlsichtige ihre Sehhilfen inklusive Brillengestell übernommen (die Behörde muss den Fehlbedarf berechnen und bezuschussen). Hoch Fehlsichtige bleiben auf dem großen Teil der Kosten sitzen und bekommen auch kein Brillengestell (https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/neue-brille-krankenkasse-zahlt-nur-in-ausnahmefaellen-13686#:~:text=Die%20Krankenkasse%20zahlt%2C%20wenn%20Sie,Ausnahmef%C3%A4llen%20von%20der%20Kasse%20%C3%BCbernommen). Diese Personen erhalten also nicht das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum!
Hinter hoher Fehlsichtigkeit stecken oft komplexe, seltene, systemische, multisystemische Krankheiten und die Betroffenen sind ohnehin mit hohen Kosten abseits der Norm belastet. Die Bundesregierung diskriminiert arme und behinderte Menschen!
Auch hier zeigt sich beispielhaft, bei den „Reformen“ am unteren Ende der Bevölkerung geht es nur darum, diese so zu gestalten, dass wieder ein Teil durchfällt. Dabei ist egal ob das Grundgesetz verletzt wird- Hauptsache Kosten reduziert. Sodann muss die Reform komplex gemacht werden, dass Bürger*innen nur nach tiefen Eindringen in die Materie begreifen, wie ihnen gespielt wird.
Gleichzeitig weiß man, dass alternative Argumentationen wie die Teilhabe im SGB II, IX oder bei Sonderbedarfen im Krankenversicherungsrecht versteckt sind, auch selbst wieder lückenhaft sind, etwa bei dauerhafter Krankheit im SGB II, im SGB V ist die Übernahme eines Brillengestells (leider nötig bei einer Brille) nicht übernommen wird. Hauptsache, die behinderten Menschen werden erst einmal beschäftigt gehalten und stehen weiter am Ende mit nichts da.
Man kann auch auf Behörden und Untergerichte zählen, die entgegen der Aufforderung des BVerfG eben nicht grundrechtekonform auslegen, sondern der Spardoktrin der Politik willig entgegen kommen. An Untergerichten wird alles unternommen, um die berechtigten Ansprüche erst einmal auf die lange Bank zu schieben.
Man weiß genau, dass die mit Obdachlosen gemeinhin schwächste Gruppe der armen mehrfach Erkrankten und Behinderten keine physischen und finanziellen Resourcen hat, sich dagegen zu wehren.
Gleichzeitig weiß man auch, dass das BVerfG mit 6000 Beschwerden jährlich überfordert ist und alle Klagen ablehnt, die keine Öffentlichkeit haben und keinen Narrativ bedienen. Man weiß, dass wieder 15 Jahre Zeit vergeht, bis man sich diesem Diskriminierungssachverhalt, wenn überhaupt stellen muss. Und daher werden Individualbeschwerde und Fakultativprotokoll zu CESCR, Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bei der UNO, seit Jahrzehnten auch nicht umgesetzt. Man möchte ungern die Behauptung des moralischen Anspruchs, mit dem man überall hausieren geht, in Frage gestellt sehen.
Auswirkungen der „Reformen“ in der Politik gar nicht bekannt
Erschreckenderweise können Bundesminister, Abgeordnete des Bundestags, Sozialministerien, Beauftragter für Behinderte und auch als Sachverständige geladene wie die Caritas diesen Sachverhalt überhaupt nicht erkennen. Auch nachdem man sie auf den Sachverhalt hingewiesen hat, kommen Antworten, wenn überhaupt geantwortet wird, die sich nicht dazu äußern und auf andere Möglichkeiten ausweichen, die aber in der Sache nicht weiter bringen. In der BRD tut man am besten so, als gäbe es keine Diskriminierung, denn ein Aufschrei wird es bei armen Behinderten nur selten geben.
Jens Spahn wurde in seiner Funktion als Gesundheitsminister zweimal angeschrieben. Geantwortet wurde erst beim zweiten Mal, als der Brief in den Briefkasten seines Privatanwesens gegeben wurde.
Vom Diskriminierungssachverhalt hatte er nichts begriffen. Er verwies auf den Markt, der alles regeln würde und wo alle seiner Meinung nach günstig Sehhilfen beziehen könnten. Dass komplexe Erkrankungen einen speziellen Bedarf haben, der anders als die Norm eben nicht vom Markt abgedeckt wird, war der Bundesgesundheitsminister nicht im Stande zu begreifen, womit er auf diesem Posten eine Fehlbesetzung war.
Die Caritas, mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Mitarbeiterin, Elisabeth Fix eben nicht behaupten kann, dass alle auf günstige Brillengestelle zurückgreifen können und dass sie den Bedarf bei seltenen Krankheiten gar nicht geprüft hat und die Caritas bloss behauptet inklusiv zu sein, in Wahrheit aber schwer Behinderte mit systemischen, multi-systemischen und seltenen Krankheiten exkludiert, hat nie geantwortet. Die Caritas ist damit grundsätzlich nicht bereit, ihre Diskriminierung systemisch, multisystemisch, an seltenen Krankheiten Erkrankter zu ändern und wirbt aber weiterhin damit inklusiv zu sein. Sie ist Handlangerin der Legislative und erstellt falsche Gefälligkeitsgutachten, damit Brillengestelle in Zukunft im Existenzsicherungsrecht ausgegliedert werden können.
Der Bundesgesundheitsminister und die Caritas sind als Fachkräfte nicht dazu in der Lage zu begreifen, dass der Bedarf bei seltenen, systemischen, multisystemischen und mehrfachen Erkrankungen abseits der Norm ist.
Auch die Beauftragten für Antidiskriminierung antworteten erst beim zweiten Mal, allerdings noch vor der Besetzung von Ferda Ataman, zuletzt immerhin mit umfangreichen Infos zu Klagewegen, die allerdings gegen die Bundesregierung nicht beschritten werden können. Unter Ferda Ataman wurde denn der letzte Diskriminierungsbericht https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/mehr-aufmerksamkeit-gegen-diskriminierung-1913048 veröffentlicht, der es schafft, in seiner Kurzform nicht auf die zweitgrößte diskriminierte Gruppe der Behinderten einzugehen. Gibt es gegen Rassismus ein umfangreiches Massnahmepaket, gibt es dies für Behinderte nicht- wohl weil hier der Staat selber diskriminiert, weil sich hier prima sparen lässt. In der Langform gelingt es auch dem Behindertenbeauftragten nicht das Problem mit den Sehhilfen zu umfassen, wiewohl ihn hier etliche Beschwerden erreichten. Er verweist darauf, dass es ja immerhin die Festbeträge der Krankenkassen gibt, die allerdings armen Behinderten mit hoher Fehlsichtigkeit nichts nutzen, weil sich gar nicht ausreichen und auch kein Gestell finanzieren und im Gegensatz zu Gering Fehlsichtigen auch nicht das Existenzsicherungsrecht greift. Konkret mit der Schilderung des Diskriminierungssachverhalt angefragt, antwortete der Behindertenbeauftragte, Jürgen Dusel, auch erst beim zweiten Mal. Auch er konnte den Diskriminierungstatbestand nicht erkennen. Es scheiterte augenscheinlich schon an der juristischen Erkenntnisgrundlagen im Existenzsicherungsrecht. Wie üblich wurde auf Möglichkeiten aufmerksam gemacht, die diese Rechtslücke nicht schliessen. In diesem Fall auf das persönliche Budget hingeweisen, das „keine Kosten des täglichen Lebens finanziert. Es sollen vielmehr die Leistungen der Förderung, Betreuung, Beteiligung, Assistenz und Pflege bezahlt werden, die ein behinderter Mensch benötigt.“ (https://www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Persoenliches-Budget/Fragen-und-Antworten/faq-persoenliches-budget.html).
Von dem in der Legislaturperiode zuvor angeschriebene Gesundheitsausschuss, antworteten nur die Linke und die Grünen, allerdings nicht zum Diskriminierungssachverhalt, sondern zu dem was sie tun, Schwerpunkt war die Integration von Behinderten im Arbeitsmarkt und nicht deren Existenzsicherung.
Man muss sagen, dass der größte Teil der Abgeordneten der sodann angeschriebenen aktuellen Ausschüsse Gesundheit, Soziales, Recht gar nicht antwortete.
Yasmin Fahimi schob die Frage von sich, weil sie nicht in ihrem Wahlkreis stattfand. Leider kommt hohe Fehlsichtigkeit nicht nur im Wahlkreis Pankow vor, sondern mit nahezu an Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit auch in ihrem Wahlkreis. Man mag angesichts der allgemeinen Lage keine Lust auf Probleme einer Minderheit zu haben, allerdings wird diese seit der großen Gesundheitsreform und seit Hartz IV diskriminiert. Mithin schon seit fast 20 Jahren.
Geantwortet haben SPD, FDP und AFD. Nur die CDU hat niemals geantwortet- arme Behinderte stehen eben nicht im Fokus dieser christlichen Partei. Allgemein unzufrieden zeigten sich FDP und AFD mit dem gegenwärtigen Zustand ohne auf den Diskriminierungssachverhalt einzugehen. Auch von der zweiten SPD Abgeordneten wurde dieser nicht verstanden, sondern auf die Möglichkeiten der Teilfinanzierung verwiesen, wie sie auch die Verbraucherberatung (siehe oben) wiedergibt.
Aktuell sieht man an Robert Habeck, dass Minister nicht in der Lage sind, sich zeitnah in die komplexen Grundlagen, hier der Energiepreisfindung, Marktmechanismen etc., einzuarbeiten. Gleiches dürfte für jeden Abgeordneten gelten, die um vorliegend Bescheid zu wissen, Kenntnisse des SGB und sämtliche Dokumente um Sehhilfen, wie vorgenanntes Urteil des BVerG, Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kennen müssen, um Abgrenzungsprobleme zu erkennen. Die Verfasserin ist dabei die Bundestagsdrucksache zu der o.g. Gesetzesänderung zu recherchieren- denn diese war anscheinend unzureichend.